Glosse 104: Der Rotary Club Babalu

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

Punkt 20.30 Uhr schlug Georges Bräker auf den Gong, das Meeting war beendet. Blitzschnell leerte sich die Heidilandstube. Die Rotarier spritzten auseinander, als ob es Bombenalarm gegeben hätte.

Präsident Bräker konstatierte traurig: «Schade, dass die Meetings immer so abrupt enden. Wäre doch schön, wenn wir auch ausserhalb des rotarischen Protokolls noch ein bisschen zusammensitzen würden.»

«Im Gasthof Wohlfahrt fehlt es halt an einem passenden Rahmen für einen Apéro vor allem nach dem Meeting», meinte Clubsekretär Hans Tgetgel. Das hörte der Wirt und installierte flugs eine neue Attraktion, die Babalu-Bar. Die Bar war cool durchgestylt, im Hintergrund sang Frank Sinatra «New York, New York». Es gab exzellente Drinks, darunter den Redliwil Special, eine Mischung aus einheimischen Brombeeren und Gin – geschüttelt, nicht gerührt.

Die Bar fand mächtig Zulauf, auch wegen der betörenden Barkeeperin Chantal. In ihrem roten Latex-Outfit stellte sie den Chef de Service Franz aus der Heidilandstube mit seinem abgeschabten Frack in den Schatten. Nach jedem Meeting steuerten immer mehr Rotarier zu einem Apéro in die Bar. Dort pflegten sie die rotarische Freundschaft oder fädelten in den intimen Séparées eine kleine, feine Clubintrige ein.

Präsident Bräker war begeistert: «Unser Clubleben nimmt einen ungeahnten Aufschwung.» Allerdings musste er bald registrieren, dass die Babalu-Bar der Heidilandstube den Rang abzulaufen drohte. Immer mehr Rotarier kamen abends zum Meeting – um gleich in die Bar zu gehen.

So geriet ein Vortrag, von dem sich Bräker so viel versprochen hatte, zum Fiasko. Der Gastredner, seines Zeichens Vorsitzender des Schweizerischen Verbands alleinerziehender Katzenväter, sprach gerade mal vor acht Rotariern und drei Katzen. Alle anderen waren bei Chantal und Sinatra.

«So geht das nicht, so werden wir ja zum RC Babalu», erklärte Bräker. Er nahm sich vor, die Vortragsreihe noch interessanter zu machen, um die Leute wieder in die Heidilandstube zu locken.

Wochen später hatte er wieder Grund zur Freude. Theophilus Würgzwiebel hatte nach jahrelangem Antichambrieren Bräkers einen Vortrag beim RC Redliwil zugesagt. Würgzwiebel war ein Philosoph von globalem Rang, ein Weltendeuter, wie es keinen zweiten gab. Seit Jahrzehnten lebte und dachte er in einer kargen Berghütte knapp unterhalb der Redliwiler Spitze, allen irdischen Genüssen abhold, die reine Geistigkeit.

Respektvoll besprachen Bräker und Würgzwiebel in der Berghütte die Details. Der Philosoph meinte: «Ich komme sehr gerne. Den Vortrag halte ich in der Babalu-Bar. Ich hoffe, Chantal ist noch da?»

Glosse 103: Rotary räumt auf

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

Als Präsident Georges Bräker an einem Wochenende seinen geliebten Redliwiler See umrundete, war er bestürzt. Überall am Ufer türmte sich der Abfall, es war eine Schande. «Wir müssen etwas tun», forderte er im folgenden Meeting und meinte: «Die Säuberung des Ufers wäre doch ein tolles Hands-on-Projekt für unseren Club.»

«Was ist denn Hands-on?» fragte Marco Klotz. Der Präsident entgegnete: «Das sind Projekte für einen guten Zweck, bei denen wir alle mit Hand anlegen. Da pflanzen Clubs neue Bäume, reinigen Tiergehege oder bauen in Kinderheimen neue Möbel, die sie gespendet haben, gleich selbst auf.»

Rotarier Klotz zückte seine Kreditkarte, doch Bräker winkte ab: «Nein, nein, ein bisschen persönlicher Einsatz sollte schon sein.»

Der Immobilienbaron Heinrich von Winkelhausen bot an, einen seiner Gärtner zu schicken und schlug hoffnungsvoll vor: «Wir könnten das ja mit einem schicken Champagner-Frühstück am Seeufer verbinden.»

Bräker schüttelte sich: «Die Schlagzeilen in der Presse möchte ich mir nicht vorstellen.»

Es war nicht einfach, den Club für das Projekt zu erwärmen. Rotarierin Maria Meier-Künzli trieb eine besondere Sorge um: «Was zieht man denn zu einem solchen Event an?». Der Clubintellektuelle Professor Dr. Johann Immergrün zierte sich: «Für Handarbeit bin ich völlig ungeeignet. Aber ich kann einen Vortrag über die Kulturgeschichte des Kehrichtsackes beisteuern.»

Andere Rotarier zeigten sich unabkömmlich und warteten mit ärztlichen Attests auf, die von Bandscheibenvorfällen, Senkfüssen, Kurzatmigkeit, Rheuma und Arthrose im Endstadium kündeten. Es war zum Erbarmen. Nur ein paar junge Rotarier waren begeistert und freuten sich auf den «waste walk» rund um den See.

Doch das reichte nicht. Clubsekretär Hans Tgetgel wusste wie immer Rat in der Krise und engagierte kurzerhand fünf gestandene Männer, darunter einen Feuerwehrmann, einen von der Abfallentsorgung und vom Katastrophenschutz sowie ähnliche Experten. Sie erhielten eine Rotary-Nadel aus recyceltem Kunststoff und wurden als temporäre «Leih-Rotarier» verpflichtet.

Sie mussten auf die Vier Fragen-Probe schwören und los ging es mit dem «waste walk». Rotarier Immergrün fand immerhin drei leere PET-Flaschen und Rotarierin Meier-Künzli ergatterte in ihren Designer-Gummistiefeln wenigstes eine verrottete Angelschnur.

Den Hauptertrag an Müll lieferten die Leih-Rotarier. Sie sammelten am Ufer drei Kubikmeter Bierdosen, Pizzakartons und Zigarettenkippen, sie fischten zusätzlich aus dem Wasser fünf Fahrräder, ein Kinderbett, 23 Handys, einen Weber-Grill, acht Personal Computer und einen verrosteten Lada.

Die Presse war voller Lob und berichtete: «Rotary räumt richtig auf.»

Voller Lob war auch Rotarier Tgetgel: «Schade, dass uns die Leih-Rotarier wieder verlassen.» Doch Präsident Bräker meinte: «Nein, die sind Gold wert, die behalten wir.»

Glosse 102: Die Rotierenden

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

«Wir müssen mit der Zeit gehen», befand Präsident Georges Bräker und schlug vor, auch beim RC Redliwil zu gendern. «Sonst heisst es, wir seien alte, böse weisse Männer.» Beim nächsten Meeting begrüsste er alle mit «Liebe Rotierende», womit sämtliche denkbaren Geschlechter berücksichtigt waren.

Clubsekretär Hans Tgetgel knurrte: «Wir sind weltoffen und tolerant, für Gleichberechtigung und für Minderheiten. Aber mir ist unklar, inwieweit Gendern das irgendwie fördern soll.»

«Das werden wir Dir schon noch beibringen», entgegnete Jungrotarier Zysset. Er hatte einen Abschluss in Gender Studies und war die treibende Kraft der Genderfraktion im Club. In seinem Klassifikationsvortrag hatte er seine Mutter genderkorrekt als das «austragende Elternteil» erwähnt.

Als Zysset von den «Studierenden» sprach, erinnerte der Clubintellektuelle Professor Dr. Johann Immergrün an Goethe. «Der hat fein unterschieden zwischen dem Studierenden, der über seinem Lehrbuch hockt, und dem Studenten, der in Auerbachs Keller Wein trinkt. Es ist grammatikalischer Nonsens, das Partizip Präsens zu verwenden, um die beiden Geschlechter zu vereinen.»

Zysset focht das nicht an: «Auch Goethe, wer immer das sein mag, wird sich noch ans Gendern gewöhnen müssen.»

Rotarier Immergrün zitierte einen renommierten Linguisten: «Der Mond ist nicht männlich, die Erde nicht weiblich, das Weltall nicht sächlich. Es gibt ein biologisches und ein grammatisches Geschlecht.»

Nils Zysset blieb unbeirrt. Die Rotierenden mussten sich in der Volkshochschule Redliwil einfinden, um den Gebrauch des Gendersterns zu lernen, das Herzstück der neuen Hochsprache. Sie übten, das «Liebe Rotarier*innen» mit dem sogenannten Glottisschlag zu sprechen, einer Minipause zwischen dem männlichen Wortstamm und der weiblichen Nachsilbe. So wie beim «Spiegelei», das mit einer Unterbrechung als «Spiegel-Päuschen-Ei» gesprochen wird.

Eines Abends trotteten Immergrün und Tgetgel auf dem Bürger*innensteig nach Hause, leise «Spiegel-Päuschen-Ei» übend. Da fragte Tgetgel: «Wo sind eigentlich unsere Damen im Club? Von denen kommt nie eine zur Schulung.»

In der Tat. Die Frauen, Redliwils Gemeindepräsidentin und Bürgermeisterin Margrit Lüthi vorneweg, rollten nur die Augen, als man sie zum Glottisschlagen einlud.

Lüthi plante gerade ihren kommenden Wahlkampf. Als Zysset ihr Referat dazu unter «Bürger*innen*meister*inwahl» ankündigte, platzte ihr der Kragen. «Männer kann man wirklich nicht unbeaufsichtigt lassen, da kommt einfach nur Unfug heraus.»

Lüthi mobilisierte die gesamte Frauenriege im Club, die Präsident Bräker in Kur schickte und Zysset eine Gesamtausgabe von Goethes Werken schenkte. Beim folgenden Meeting präsidierte Lüthi als Notvorstand und verkündete: «Das Spiegel-Päuschen-Ei hat ausgedient. Basta.»

«Bürger*innen*meister*inwahl»