Glosse 122: Fünf Sterne

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

Rotarier Rolf Ackermann war ein Mann alter Schule, auf Stil bedacht und grosszügig, eine Säule des RC Redliwil. Als er seinen 70. Geburtstag feierte, lud er sämtliche Mitglieder des Clubs inklusive Anhang in das Gourmetrestaurant «Chez Max» ein, wo man die Haute Cuisine pflegte. Wie absehbar, betrug die Präsenz der Mitglieder hundert Prozent. Alle freuten sich auf ein opulentes Menü, zusätzlich begeistert von der Ankündigung des Jubilars, es gäbe nur eine kurze Rede, nämlich die von ihm selbst.

Beim Stehempfang vorneweg verteilte der Oberkellner gemäss einer Liste goldumrandete Kärtchen mit ein, zwei, drei, vier und fünf Sternen. Bald darauf schwebten die Kellnerinnen herein und teilten den Gästen je nach Sternchen ein Getränk zu.

Wer fünf Sterne hatte, erhielt ein Glas Champagner, bei vier gab es einen hochklassigen Sekt, bei drei einen eher durchschnittlichen Fendant, bei zwei eine Rivella. Die Einsterner mussten sich mit Mineralwasser begnügen. Ratlos beäugten sich die verschiedenen Sternefraktionen.

Ackermann klärte die Gäste in seiner Begrüssungsansprache auf. Er sagte launig: «Liebe Gäste, das mit den Sternen habe ich bewusst so gemacht. Wer mir klassisch zum Geburtstag gratuliert hat, handgeschrieben mit dem Füllfederhalter und auf Büttenpapier – der kriegt fünf Sterne.»

Ackermann fuhr fort: «Vier Sterne waren mir die persönlichen Anrufe zum Geburtstag wert. Wer mir per Email eine elektronische Glückwunschkarte übermittelte, erhält drei Sterne.»

Er machte eine Kunstpause. Beklommen warteten die Zwei- und Einsterner auf das, was nun folgen würde. Und Ackermann hob sein Glas: «Zwei Sterne vergebe ich für Glückwünsche per SMS oder Whatsapp und einen Stern für die, die mir gar nicht gratuliert hatten. Zum Wohle!»

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