Glosse 106: Das Lastenträgervelo

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

«In meiner aktiven Zeit kamen die meisten Freunde noch mit Chauffeur zum Meeting», erinnerte sich eines Tages Ehrenpräsident Ernst Friedrich wehmütig in kleiner Runde. Doch diese glanzvolle Zeit des rotarischen Vorfahrens war Geschichte. Auch im RC Redliwil wehte neuerdings ein anderer Wind. Im Zeichen der Klimakrise wurde im Club immer kritischer beäugt, wer mit welchem Verkehrsmittel zum Meeting fuhr.

Rotarier Fritz Abderhalten hatte schweren Herzens Abschied von seinem Porsche 911 genommen. Früher hatte er den Boliden gerne als sehr praktisch gerühmt: «In den Neunhundertelfer passen eine schöne Frau und zwei Kreditkarten. Reicht völlig.» Nun mussten die schönen Frauen und die Kreditkarten in einem elektrischen Fiat 500 unterkommen. Georges McGander, der früher mit dem Hummer-Jeep (30 Liter auf 100 Kilometer) herandonnerte, erschien nun per Pferd aus dem eigenen Gestüt.

Die Durchschnittsrotarier behalfen sich mit dem Bus, denn die Redliwiler U-Bahn befand sich noch im Planungsstadium. Andere nutzten Fahrräder, vom schlichten Hollandrad bis zum Edeltreter mit 33 Gängen.

Rotarierin Louise Meier kam mit einem E-Bike, allerdings einer Sonderedition, gestylt von einem Pariser Designer, denn ein wenig Distinktion musste schon sein. Sie staunte nicht schlecht, als eines Tages der betagte Ehrenpräsident ebenfalls auf einem E-Bike an ihr vorbeirauschte, allerdings mit Stützrädern.

Besonders motiviert wurden die Mitglieder durch einen von Präsident Bräker ausgelobten Wettbewerb. Wer den kleinsten CO2-Fussabdruck auf dem Weg zum Meeting hinterliess, sollte mit einem doppelten Paul Harris Fellow und einer Würdigung in den lokalen Medien Presse ausgezeichnet werden.

Begründete Hoffnung auf den Preis machte sich eine vierköpfige Gruppe von Jungrotariern. Sie kamen gemeinsam in einem Lastenträgervelo vom Typ «Long John». Der Kräftigste lenkte und trat in die Pedale, die drei anderen kauerten in der Lastenbox. Der «Long John» galt als heisser Favorit für den ersten Preis.

Den aber holte sich Rotarier Armin Fahrni. Seinen AMG Mercedes (700 PS, Formel I-Bremsen) hatte er seinem Fitnesstrainer verkauft und sich eine Wohnung im Stockwerk über dem Gasthof Wohlfahrt gemietet. Und so öffnete Fahrni jeden Mittwoch um 11.59 Uhr seine Tür, schritt eine Treppe herunter und war ebenso entspannt wie pünktlich um zwölf Uhr zum Meeting in der Heidilandstube. Das Ganze verlief ziemlich CO2-frei, abgesehen von den 40 Millilitern CO2, die pro Liter Fahrni-Atemluft in die Atmosphäre gelangten.