97. Das neue Clublokal

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Voller Elan stürzte sich Rotarier Hans Berner, ein frischgebackenes Mitglied des RC Redliwil, ins rotarische Geschehen. Sein erster Vorschlag betraf ein Online-Benefizkonzert für Künstler, die durch Corona in Not geraten waren. Doch als er sein Projekt präsentierte, schienen die Freunde irgendwie abgelenkt. Hans  fragte den Präsidenten Georges Bräker: „Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Nein, aber im Moment stehen wir vor einer existenziellen Herausforderung“, seufzte dieser. „Wir brauchen ein neues Clublokal. Der Gasthof Wohlfahrt und seine Heidi-Stuben genügen den Corona-Anforderungen nur ungenügend und drohen Pleite zu gehen. Nur die Hälfte der Mitglieder kann aus technischen Gründen bei unseren Online-Meetings mitmachen. Letztes Mal waren erfreulicherweise 33 mit Bild und Wort dabei. Ferner hat eine Gruppe in einer speziellen Aktion CHF 5‘000.- zugunsten der „Wohlfahrt“ gesammelt und dem Wirt persönlich übergeben, was dieser bestens verdankt hat.

„Na ja, irgendeine gute Beiz werden wir wohl finden“ meinte Rotarier Berner. Der Präsident wurde streng: „Lieber Hans, das Clublokal ist unsere Heimat, fast wie eine „heilige“ Stätte. Hier lodert unsere rotarische Flamme am hellsten. Im Moment diskutieren wir über zwei mögliche Lokalitäten, die „Taverne zum Goldenen Kreuz“ und den „Rathauskeller.“

Nachdenklich sahen Hans Berner und andere Mitglieder zu, wie das normale Clubleben zum Erliegen kam, wie dieses Problem „Clubwechsel“ sogar zu Geheimtreffen und Shitstorms auf Facebook führte. Rotarier John Battermann, Vorstandsvorsitzender eines Pharmakonzerns, ließ Fusionsverhandlungen mit einem US-Konkurrenten platzen, denn er kämpfte ausschließlich für das „Goldene Kreuz“. Regierungsrat Schneeberger kämpfte für den „Rathauskeller“ und vergaß darüber eine wichtige Vorlage für das Kantonsparlament. Diese ehemaligen Busenfreunde schienen nur noch über ihre Anwälte zu verkehren…

Hans Berner konnte es nicht fassen: „Warum machen wir so ein Gestürm um dieses Lokal? Und was wird aus meinen Künstlern in Not? Bei denen lodert bald gar nichts mehr.“

Der Clubpräsident hob mahnend den Zeigefinger: „Beim Clublokal geht es um eine Jahrhundertentscheidung. Der Brexit war dagegen ein Kaffeekränzchen.“

Beim Streit wurde auch ein Generationenkonflikt deutlich. Die Jüngeren plädierten für den „Rathauskeller“. Dort gibt es Parkplätze und Ladestationen nur für E-Autos und vegane Speisen mit dem Tofu-Schnitzel als Spitzengericht. Der Meetingraum heisst dort „Greta Thunberg-Lounge“. „Damit sind wir auch die altmodischen Heidi-Stuben los“, meinte Rotarier Schneeberger.

Die Traditionalisten um John Battermann, auch „Rouladenfraktion“ genannt, plädierten dagegen für die „Taverne zum Goldenen Kreuz“ eine Straße weiter. Dort gab es im „Wilhelm-Tell-Salon“ auch die Kalbshaxe nach Großmutter Art.

Der Kampf wogte hin und her, bis der Tag der Abstimmung kam. 33 Mitglieder erhoben ihre Hand für die „Taverne zum Goldenen Kreuz“, 33 andere waren für den „Rathauskeller“.

Der Clubpräsident Georges Bräker stöhnte: „Das ist eine Katastrophe. Am Ende droht uns eine Spaltung des Clubs.“

Kassier Armin Geldmacher beruhigte ihn. „In der Clubkasse habe ich eine geheime Rücklage. Die biete ich dem Wirt vom Gasthof Wohlfahrt zusätzlich an.“

„Wozu?“

„Damit er weitermachen kann und unsere Coronaprobleme noch besser löst.“

So geschah es: Mit Stichentscheid des Präsidenten blieb der Rotary Club Redliwil am bisherigen, traditionellen Ort, im Gasthof zur Wohlfahrt. Und um die jüngeren Anhänger des Rathauskellers zu besänftigen, gab es im Gasthof Wohlfahrt inskünftig ebenfalls Tofu-Schnitzel. Außerdem hieß der Meetingraum fortan „Greta-Heidi–Stuben.“

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