Glosse 103: Rotary räumt auf

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

Als Präsident Georges Bräker an einem Wochenende seinen geliebten Redliwiler See umrundete, war er bestürzt. Überall am Ufer türmte sich der Abfall, es war eine Schande. «Wir müssen etwas tun», forderte er im folgenden Meeting und meinte: «Die Säuberung des Ufers wäre doch ein tolles Hands-on-Projekt für unseren Club.»

«Was ist denn Hands-on?» fragte Marco Klotz. Der Präsident entgegnete: «Das sind Projekte für einen guten Zweck, bei denen wir alle mit Hand anlegen. Da pflanzen Clubs neue Bäume, reinigen Tiergehege oder bauen in Kinderheimen neue Möbel, die sie gespendet haben, gleich selbst auf.»

Rotarier Klotz zückte seine Kreditkarte, doch Bräker winkte ab: «Nein, nein, ein bisschen persönlicher Einsatz sollte schon sein.»

Der Immobilienbaron Heinrich von Winkelhausen bot an, einen seiner Gärtner zu schicken und schlug hoffnungsvoll vor: «Wir könnten das ja mit einem schicken Champagner-Frühstück am Seeufer verbinden.»

Bräker schüttelte sich: «Die Schlagzeilen in der Presse möchte ich mir nicht vorstellen.»

Es war nicht einfach, den Club für das Projekt zu erwärmen. Rotarierin Maria Meier-Künzli trieb eine besondere Sorge um: «Was zieht man denn zu einem solchen Event an?». Der Clubintellektuelle Professor Dr. Johann Immergrün zierte sich: «Für Handarbeit bin ich völlig ungeeignet. Aber ich kann einen Vortrag über die Kulturgeschichte des Kehrichtsackes beisteuern.»

Andere Rotarier zeigten sich unabkömmlich und warteten mit ärztlichen Attests auf, die von Bandscheibenvorfällen, Senkfüssen, Kurzatmigkeit, Rheuma und Arthrose im Endstadium kündeten. Es war zum Erbarmen. Nur ein paar junge Rotarier waren begeistert und freuten sich auf den «waste walk» rund um den See.

Doch das reichte nicht. Clubsekretär Hans Tgetgel wusste wie immer Rat in der Krise und engagierte kurzerhand fünf gestandene Männer, darunter einen Feuerwehrmann, einen von der Abfallentsorgung und vom Katastrophenschutz sowie ähnliche Experten. Sie erhielten eine Rotary-Nadel aus recyceltem Kunststoff und wurden als temporäre «Leih-Rotarier» verpflichtet.

Sie mussten auf die Vier Fragen-Probe schwören und los ging es mit dem «waste walk». Rotarier Immergrün fand immerhin drei leere PET-Flaschen und Rotarierin Meier-Künzli ergatterte in ihren Designer-Gummistiefeln wenigstes eine verrottete Angelschnur.

Den Hauptertrag an Müll lieferten die Leih-Rotarier. Sie sammelten am Ufer drei Kubikmeter Bierdosen, Pizzakartons und Zigarettenkippen, sie fischten zusätzlich aus dem Wasser fünf Fahrräder, ein Kinderbett, 23 Handys, einen Weber-Grill, acht Personal Computer und einen verrosteten Lada.

Die Presse war voller Lob und berichtete: «Rotary räumt richtig auf.»

Voller Lob war auch Rotarier Tgetgel: «Schade, dass uns die Leih-Rotarier wieder verlassen.» Doch Präsident Bräker meinte: «Nein, die sind Gold wert, die behalten wir.»

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