Glosse 100: Die Engelgleichen

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Am 23. Februar 1905 setzten sich in Chicago Paul P. Harris, Gustavus Loehr, Silvester Schiele und Hiram E. Shorey im Büro von Gustavus Loehr zusammen. Dieses Treffen wurde später als das erste Rotary-Meeting berühmt. Weniger bekannt ist, dass dazu ein schriftliches Protokoll erstellt wurde, das man kürzlich im Hinterzimmer einer Chicagoer Pfandleihe entdeckte.

„Ein Sensationsfund“, erklärte Präsident Georges Bräker am jüngsten Meeting des RC Redliwil. „Die Geschichte von Rotary muss neu geschrieben werden.“

Er las Auszüge daraus vor, die Rotarierinnen und Rotarier lauschten atemlos, denn laut Protokoll waren die vier Ur-Rotarier Visionäre.
„Wir werden wachsen, wir werden überall auf der Welt präsent sein“, kündigte Paul P. Harris an.“
„Vor allem in der Schweiz“, ergänzte Gustavus Loehr.
„Also in Redliwil“, war sich Silvester Schiele sicher.
„Jeden Montag, 19 Uhr, im Gasthof Wohlfahrt, Heidilandstube“, sah Hiram E. Shorey voraus.
Paul P. Harris fasste hochgestimmt zusammen: „Der RC Redliwil wird die rotarische Fackel weitertragen, unsere Werte in reinster Form verwirklichen. Von Freunden, die vereint sind in selbstloser Hingabe, engelgleich harmonierend – als echtes Geschenk für die Menschheit.“

Bräker schloss ergriffen: „So endet die Niederschrift jenes wahrhaft denkwürdigen Meetings vom 23. Februar 1905.“
In der Heidilandstube herrschte ehrfürchtige Stille.
„Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde…“ murmelte schließlich Ehrenpräsident Ernst Friedrich.

Da kam die Sekretärin mit der Unterschriftenmappe ins Chefbüro. Der Clubpräsident erwachte aus seinem Mittagsschläfchen. Sie sagte: „Herr Geldmacher ist am Telefon.“
Der Clubkassier durfte ihn immer stören, denn er hörte im Club das Gras wachsen.
Er legte gleich los. „Den Rotarier Ackermann, den Chef der Fellowship für Golf, haben sie in einem Putsch durch einen Jüngeren ersetzt. Jetzt darf er nicht mehr als erster abschlagen, er ist beleidigt und möchte unseren Club verlassen.“

„Ach, du meine Güte. Was ist sonst noch los?“
„Rotarier Gafner hielt doch kürzlich den Vortrag über etruskische Gräber. Rotarier Grossenbacher meinte danach im kleinen Kreis, die Leere der Darlegung sei nur noch von ihrer Länge übertroffen worden. Seitdem siezen sich beide wieder.“

„Und was machen die rotarischen Damen?“
„Zwischen Margrit Lüthi und Susanne Mengozzi gibt es atmosphärische Störungen.“
„Warum?“

„Weil Margrit Lüthi beim letzten Frühjahrsmeeting ihr Gedicht als erste vortragen durfte.“
Georges Bräker seufzte: „Tja, das mit der engelgleichen Harmonie ist so eine Sache….“

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Zum Schweizer Rotary Club Redliwil

Gegründet wurde der frei erfundene Schweizer Rotary Club Redliwil in enger Zusammenarbeit mit unserem damaligen Chefredaktor Oliver Schaffner und Rot. Alexander Hoffmann, dem Erfinder des RC Bröckedde in Deutschland.
Rot. Hoffmann ist Mitglied des RC Frankfurt am Main/Römer und liefert die Themen, die ich für unsere Verhältnisse bearbeite.
Rot. Hoffmann wird für seine Arbeit entschädigt, was von unseren Governors D 2000 auf Gesuch jeweils grosszügig übernommen wird.
Ich bin Initiant und ehrenamtlicher Administrator dieses Clubs.

Die erste Glosse unseres Rotary Clubs REDLIWIL zum Thema “Die Deutschen kommen” wurde am 1. September 2014 auf der Website https://www.rc-redliwil.ch publiziert.
Im September 2016 hat Rot. Hanspeter Ryser als Chefredaktor des Schweizer Rotary Magazins unseren Club REDLIWIL auf eine neue Basis bei WordPress gestellt.

Ich bin dankbar und freue mich besonders über die neue Glosse 100.
Am häufigsten wurde bisher die Glosse 86 “Der Club Med” angeschaut:
42’866 mal.
Insgesamt zählt die offizielle Statistik von “WordPress” bis heute 60’561 Besucher und 208’874 Aufrufe zum Club Redliwil.

PDG Erich Gerber, RC Zürich-Limmattal
Zürich, 5. April 2021

99. Warten auf Kluuny

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Ein Gerücht waberte durch das Netz: Zur neuen Spielzeit, so wusste Rotarierin Anna Obermüller bei Facebook zu posten, komme ein neuer Intendant ans Stadttheater von Redliwil. Sie geriet ins Schwärmen und schrieb über diesen George Kluuny: „Wo immer er bisher gearbeitet hat, bekamen die Theater neuen Zulauf. Ihm eilt ein Ruf voraus wie ein Donnerhall.“

Dieses Donnern erreichte auch Präsident Bräker. Im Vorstand meinte er: “Kluuny wäre wahrlich eine besondere Grösse für unseren Club. Mal was anderes als immer diese Ärzte oder Wirtschaftsprüfer. Kennt ihn jemand näher?“

Der Clubdichter Heinz Hausammann ging nie ins Theater, wollte aber etwas für seine Image tun. Er meinte: „Man hört nur Gutes über Kluuny.“ Marco Klotz, der welterfahrene Investmentbanker, ging ebenfalls nie ins Theater, wollte aber nicht zurückstehen. Er mäkelte: „Kluuny, hm, hm. Ein Blender, wie ich aus kompetenter Quelle weiß. An einem Staatstheater im Ausland soll er nur verbrannte Erde hinterlassen haben.“ Ihm zur Seite sprang Franz Mühlemann, Chef des Feuilletons beim Redliwiler Anzeiger. Er hatte ebenfalls noch nie von Kluuny gehört, wollte das aber nicht zugeben. Er rümpfte die Nase: „Kluuny sorgt zwar für eine volle Hütte, aber er hat nur die Massen im Blick; eigentlich gehört er ins Privatfernsehen.“

Dem Donnerhall tat das keinen Abbruch. Bald gewann Kluuny an weiteren Umrissen in der rotarischen Gerüchteküche. Er habe schon eine Villa an der Redliwiler Goldküste gemietet, hieß es. Ein Rotarier wollte ihn beim Shoppen in der City gesehen haben, wo er mit einem weißen Bentley nebst Chauffeur vorgefahren sei. Und Heidi Blümlisalp wollte von einem Kenner erfahren haben, Kluuny habe ein Angebot des Schauspielhauses Zürich zugunsten von Redliwil ausgeschlagen.

Als Georges Bräker davon hörte, verfiel er in Hochstimmung. „Diesen Hochkaräter dürfen wir uns nicht entgehen lassen“, sagte er zu Kassier Armin Geldmacher. Dieser rieb sich die Hände: „Dann kriegen wir auch Freikarten für die Premieren.“

Am nächsten Tag rief der Clubpräsident Anna Obermüller an: „Wann kommt Kluuny endlich nach Redliwil? Ich würde ihn gerne zu einem Vortrag einladen.“

Anna gluckste am anderen Ende der Leitung. „Kluuny wird nicht kommen – es gibt ihn nämlich gar nicht. Ich wollte im Club nur mal testen, ob die alten Reflexe noch funktionieren.“

Statistik:
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Total der Besucher: 59’466
Am meisten Aufrufe hat der Club Med: 42’203

98. Die Zoom-Bücherwand

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Die Clubmeetings per Zoom hatten sich beim RC Redliwil gut eingeführt, wie Präsident Bräker an einer Vorstandssitzung (per Zoom) zufrieden erklärte. Er verwies auch auf einen Nebeneffekt: “Über die Live-Bilder erfahren wir mehr über unsere Freundinnen und Freunde, wie sie arbeiten, leben und was sie besonders mögen.“

„Genau das ist ja das Fatale“, murmelte Rotarier Ackermann, der sich in seinem Home Office eine gewisse Schlampigkeit zugelegt hatte. Am liebsten surfte er unrasiert und im Bademantel im Internet, in der Hand eine Bierflasche und eine dicke Zigarre. Vor jedem Zoom-Meeting musste er sich nun rasieren, in einen Anzug hüllen, das Rotary Zeichen anstecken und auf dem Schreibtisch demonstrativ eine Tasse Gesundheitstee platzieren.

Andere nutzten Zoom für dezente Public Relations. Die Redliwiler Bürgermeisterin Andrea Lüthi schaltete sich stets von ihrem Dienstzimmer aus zu, zur Linken das große Bild, das sie beim Händedruck mit einigen Bundesräten zeigte. Investmentbanker Marco Klotz gewährte in seinem New Yorker Büro einen fulminanten Blick auf die Skyline von Manhattan. Eher bieder ging es bei Rot. Hansjakob Gafner zu, dem führenden Bäcker von Redliwil, der sich inmitten seiner Brotlaibe und Puddingstückchen zuschaltete.

Der Clubintellektuelle Dr. Dr. Kurt Bader beeindruckte durch die riesige Bücherwand in seinem Rücken. Schon allein die Sammlung der Philosophen von Platon bis Sloterdijk und die gesammelten Werke von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt wirkten mächtig.

Auch Kaspar Manz zeigte sich vor einer Bücherwand. Allerdings mit Werken wie den Memoiren eines Fußballers „Das Runde muss ins Eckige“, dem Ratgeber „Schnäppchenführer Schweiz“ und der Sadomaso-Schnulze „Fifty Shades of Grey.“ Die entsprechenden Kommentare ließen nicht lange auf sich warten.

Kaspar sann auf Abhilfe. Er suchte Kurt Bader auf, lichtete dessen Bücherwand ab und ließ sich aus der Aufnahme eine Fototapete basteln. Diese wurde vor jedem Meeting vor die Sadomaso-Schnulze gerollt.

Das Ansehen von Kaspar Manz stieg rapide und bald legten sich weitere Mitglieder diese Fototapete zu.

Präsident Georges Bräker bekam diese Hintergründe nicht ganz mit. Und wunderte sich: „Komisch, dass alle dasselbe lesen. Aber es hat Niveau.“

97. Das neue Clublokal

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Voller Elan stürzte sich Rotarier Hans Berner, ein frischgebackenes Mitglied des RC Redliwil, ins rotarische Geschehen. Sein erster Vorschlag betraf ein Online-Benefizkonzert für Künstler, die durch Corona in Not geraten waren. Doch als er sein Projekt präsentierte, schienen die Freunde irgendwie abgelenkt. Hans  fragte den Präsidenten Georges Bräker: „Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Nein, aber im Moment stehen wir vor einer existenziellen Herausforderung“, seufzte dieser. „Wir brauchen ein neues Clublokal. Der Gasthof Wohlfahrt und seine Heidi-Stuben genügen den Corona-Anforderungen nur ungenügend und drohen Pleite zu gehen. Nur die Hälfte der Mitglieder kann aus technischen Gründen bei unseren Online-Meetings mitmachen. Letztes Mal waren erfreulicherweise 33 mit Bild und Wort dabei. Ferner hat eine Gruppe in einer speziellen Aktion CHF 5‘000.- zugunsten der „Wohlfahrt“ gesammelt und dem Wirt persönlich übergeben, was dieser bestens verdankt hat.

„Na ja, irgendeine gute Beiz werden wir wohl finden“ meinte Rotarier Berner. Der Präsident wurde streng: „Lieber Hans, das Clublokal ist unsere Heimat, fast wie eine „heilige“ Stätte. Hier lodert unsere rotarische Flamme am hellsten. Im Moment diskutieren wir über zwei mögliche Lokalitäten, die „Taverne zum Goldenen Kreuz“ und den „Rathauskeller.“

Nachdenklich sahen Hans Berner und andere Mitglieder zu, wie das normale Clubleben zum Erliegen kam, wie dieses Problem „Clubwechsel“ sogar zu Geheimtreffen und Shitstorms auf Facebook führte. Rotarier John Battermann, Vorstandsvorsitzender eines Pharmakonzerns, ließ Fusionsverhandlungen mit einem US-Konkurrenten platzen, denn er kämpfte ausschließlich für das „Goldene Kreuz“. Regierungsrat Schneeberger kämpfte für den „Rathauskeller“ und vergaß darüber eine wichtige Vorlage für das Kantonsparlament. Diese ehemaligen Busenfreunde schienen nur noch über ihre Anwälte zu verkehren…

Hans Berner konnte es nicht fassen: „Warum machen wir so ein Gestürm um dieses Lokal? Und was wird aus meinen Künstlern in Not? Bei denen lodert bald gar nichts mehr.“

Der Clubpräsident hob mahnend den Zeigefinger: „Beim Clublokal geht es um eine Jahrhundertentscheidung. Der Brexit war dagegen ein Kaffeekränzchen.“

Beim Streit wurde auch ein Generationenkonflikt deutlich. Die Jüngeren plädierten für den „Rathauskeller“. Dort gibt es Parkplätze und Ladestationen nur für E-Autos und vegane Speisen mit dem Tofu-Schnitzel als Spitzengericht. Der Meetingraum heisst dort „Greta Thunberg-Lounge“. „Damit sind wir auch die altmodischen Heidi-Stuben los“, meinte Rotarier Schneeberger.

Die Traditionalisten um John Battermann, auch „Rouladenfraktion“ genannt, plädierten dagegen für die „Taverne zum Goldenen Kreuz“ eine Straße weiter. Dort gab es im „Wilhelm-Tell-Salon“ auch die Kalbshaxe nach Großmutter Art.

Der Kampf wogte hin und her, bis der Tag der Abstimmung kam. 33 Mitglieder erhoben ihre Hand für die „Taverne zum Goldenen Kreuz“, 33 andere waren für den „Rathauskeller“.

Der Clubpräsident Georges Bräker stöhnte: „Das ist eine Katastrophe. Am Ende droht uns eine Spaltung des Clubs.“

Kassier Armin Geldmacher beruhigte ihn. „In der Clubkasse habe ich eine geheime Rücklage. Die biete ich dem Wirt vom Gasthof Wohlfahrt zusätzlich an.“

„Wozu?“

„Damit er weitermachen kann und unsere Coronaprobleme noch besser löst.“

So geschah es: Mit Stichentscheid des Präsidenten blieb der Rotary Club Redliwil am bisherigen, traditionellen Ort, im Gasthof zur Wohlfahrt. Und um die jüngeren Anhänger des Rathauskellers zu besänftigen, gab es im Gasthof Wohlfahrt inskünftig ebenfalls Tofu-Schnitzel. Außerdem hieß der Meetingraum fortan „Greta-Heidi–Stuben.“

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96. Das Carepaket

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

„Die renommierte Kleinkunstbühne Redliwil ist wegen Corona in Not – wir sollten helfen“, befand Präsident Bräker an einer online-Vorstandssitzung. Er erntete einhellige Zustimmung, und es wurde beschlossen, dass jedes Clubmitglied eine einmalige Spende von 100 Franken leisten sollte.

Eine Rundmail wurde verfasst mit der Ankündigung, Kassier Armin Geldmacher werde die Summe demnächst abbuchen. „Damit setzen wir ein Zeichen der Solidarität mit den Künstlern. Die Zeiten sind hart, aber 100 Franken wird ja wohl jeder noch übrighaben“, freute sich der Clubpräsident. Der Kassier wiegte den Kopf: “Mal abwarten, ich kenne da so ein paar…..“

77 Mitglieder hatten keine Einwände, doch drei stellten sich quer. So Rotarier Baumann, der mit einem mehrseitigen Brief die Zahlung verweigerte und den Spenden-beschluss als „Ermächtigungsgesetz“ abtat. Ganz abgesehen davon sei er am Rande seiner Zahlungsfähigkeit.

Ihm folgte Rotarier Immergrün, der vorsorglich eine einstweilige Verfügung bei Gericht in Aussicht stellte. Als dritte Verweigerperson entpuppte sich Rotarierin Meier, die eine Foto mailte. Dieses Bild zeigte sie im Kreis ihrer Familie, die sich mit vier Löffeln um eine einzige Dose Ravioli scharte – „unser Sonntagsmahl.“

Der Präsident war bestürzt. „Geht es unseren drei Mitgliedern wirklich so schlecht?“, fragte er seinen Freund Armin. Dieser meinte: „Bernhard Baumann hat gerade einen neuen Bentley bestellt. Johann Immergrün lässt im Moment seinen Drittwohnsitz in London renovieren und Rotarierin Louise Meier hat kürzlich einen Haufen Apple-Aktien erworben. Da kann es schon mal eng werden mit der Haushaltskasse.“

„Was sollen wir tun?“

„Lass mich mal machen“, erwiderte der Kassier.

Er formulierte einen Brief mit dem Titel „Drei Mitglieder in Not“ und bat darin alle Clubmitglieder um die Zusendung von Care-Paketen an die drei: „Bitte mit Nescafé, Mehl und Zucker, Fertigpizzen, Ölsardinen sowie ein paar warmen Socken.“

Georges Bräker las einen Tag später den Entwurf: „Aber das hast Du doch hoffentlich nicht losgeschickt?“

Der Kassier lächelte: „Nein, diesen Bettelbrief habe ich unseren drei Mitgliedern nur als Entwurf gezeigt.“

„Und?“

„Louise Meier und Johann Immergrün haben die 100 Franken sofort überwiesen. Bernhard Baumann kam heute früh im Bentley vorbei und zahlte in bar.“

95. Von der Strafkasse zum Online-Meeting

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Beim RC Redliwil herrschte wieder einmal Ebbe in der Kasse, und Schatzmeister Armin Geldmacher suchte verzweifelt neue Einnahmequellen. Da erinnerte sich Präsident Bräker an eine alte Einrichtung des Clubs. „Lieber Daniel, führen wir doch die Strafkasse wieder ein“, meinte er zu Past Präsident Daniel Bünzli.
Der horchte auf: „Richtig, die Strafkasse für rotarische Nachlässigkeiten. Bei jedem Verstoß wurde 1 Franken fällig.“ Geführt wurde sie damals von Rotarier Hans Schnurrenberger, einer Clublegende. Dieser achtete peinlich auf rotarisches Benehmen und einen klassischen Dresscode. Am Eingang zum Clublokal hielt er stets Krawatten bereit, wer ohne Nadel erschien, den schickte er wieder hinaus.

„Wir sind aber heute etwas lockerer“, gab Georges Bräker zu bedenken. Doch Armin blieb unbeirrt: „Ich bin sehr für diese Strafkasse, das bringt unseren Club wieder in Form.“

Mit der Führung dieser Strafkasse wurde Rotarier Franz Mühlemann jun. beauftragt, der sich der Sache begeistert annahm. Er ging sehr viel schärfer ans Werk als sein Herr Vater. So formulierte er einen 10seitigen Katalog mit rotarischen Verstößen, die jeweils mit einem Bußgeld von nunmehr zwei Franken geahndet werden sollten.

Solche Strafen gab es unter anderem für Zuspätkommer und Zufrühgeher, für nadellose Auftritte, für die Bedienung des Handys während der Mahlzeit oder für ein Schläfchen während des Vortrags. Die Franken wurden auch fällig für Vergehen wie „Zu wenig Begeisterung beim Anhören der Regularien“, „Schiefe Blicke Richtung Präsidententisch“ oder „Allzu langsames Essen.“

Anfangs ließen die Mitglieder den Strafkassen-Franz fast im Spass gewähren, doch dann machte sich ein Unbehagen breit. Hinter vorgehaltener Hand wurde er wahlweise als „Big Brother“ oder „Robespierre“ bezeichnet.

Das Murren verstärkte sich, als „Robespierre“ seine Überwachung noch verfeinerte. Am Eingang zum Meetingraum stand ein Körperscanner, daneben flimmerten drei Monitore, über die er alle Vorgänge in den Heidistuben verfolgen konnte. Er notierte dann die Übeltäter und kassierte sie beim Verlassen der Heidistuben ab.

Präsident Bräker wurde mulmig: „Unser Robby übertreibt langsam ein wenig“. Der Kassier widersprach: „Gewisse Härten sehe ich auch, aber den Clubfinanzen tut es gut.“

Robby durfte weiterwirken und erweiterte seinen Aktionsradius. Er überwachte nun auch die Autos der Rotarier, die vor dem Gasthof Wohlfahrt parkten sowie den Zustand einzelner Rollstühle und Rolatoren.
Einen ersten Mahnbescheid erhielt ausgerechnet Kassier Geldmacher. Darauf stand: „MFK seit zwei Tagen abgelaufen, kein Verbandskasten, rechter Hinterreifen zu wenig Profil – 133.10 CHF“, schrieb ihm Robby.

(Zur Information: MFK ist die Motorfahrzeugkontrolle, die in Schweizer Kantonen für die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr zuständig ist.)

„Das artet ja in Tugendterror aus!“, klagte Clubsekretär Hans Tgetgel dem Präsidenten. Der meinte weise: „So frisst die Revolution ihre Kinder.“

Robby wurde schliesslich seines Amtes enthoben. Tgetgel aber trauerte den Einnahmen aus der Strafkasse nach und seufzte: „Immerhin haben wir ihm das Schicksal seines Namensgebers erspart.“ So weit, so gut.

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ABER:
Am Schluss dieses Meetings ergriff Clubpräsident Georges Bräker das Wort:
„Liebe Gäste, liebe Clubfreundinnen und -freunde: Die Coronaprobleme nehmen derart zu, dass wir gezwungen sind, die nächsten Meetings online durchzuführen. Das hat unser Vorstand gestern einstimmig beschlossen. Hier im Gasthof Wohlfahrt finden also vorderhand keine Zusammenkünfte mehr statt. Unser Freund Pascal wird die nötige Technik besorgen und dieses System für und mit uns handhaben. Wir werden von ihm schriftlich erfahren, wie wir uns an unseren Computern (mit Kamera) zuhause oder im Büro dem System „GO TO MEETING“ anschliessen und aktiv daran beteiligen können. Der Club Zürich-Limmattal macht damit schon sehr gute Erfahrungen und diskutiert darüber, ob wirklich keine Zusammenkünfte mehr stattfinden sollen.Wichtig ist, dass wir alle gesund bleiben.”

Statistik seit Juli 2017 (gemäss Agentur WORDPRESS):
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94. Der Fremde im Zug

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Als Präsident Georges Bräker ein Erstklassabteil im Intercity 8 betrat, der ihn von Redliwil nach Bern bringen sollte, hatte es aus Coronagründen nur wenig Passagiere. Leicht fand er einen freien Fensterplatz. Seine Lust wurde noch grösser, als er ihm gegenüber einen Passagier erblickte, der ebenfalls die Rotary-Nadel trug. Ergänzt wurde diese Gruppe durch einen Reisenden ohne Abzeichen, der auf einem Platz etwas weiter hinten fast durch seine Neue Zürcher Zeitung verdeckt war. Vielleicht las er gerade einen Artikel über die hohen Coranakosten der Schweizerischen Bundesbahnen…

Bräkers Interesse und Freude wurde noch grösser, als sich sein Gegenüber als Rotarier Kübeli, Präsident des RC Neuheidiland, entpuppte. Und schon kamen sie darüber ins Gespräch, was es bedeutete, Präsident eines Rotary-Clubs zu sein.

Hans Kübeli seufzte: „Ich habe lange ein Werk mit fünftausend Leuten problemlos gemanagt, aber meine 70 Schäfchen im Club, die schaffen mich.“
„Wem sagst Du das, lieber Freund? Als ob man einen Sack Flöhe hüten muss“, meinte Bräker.
„Es ist eine Rasselbande“, stöhnte Kübeli.
„Keiner liest meine Mails“, knurrte Bräker.
„Und sie hören kaum zu“, klagte Kübeli.
„Alles muss man ihnen dreimal sagen“, meinte Bräker.
„Und dann tun sie es immer noch nicht“, erwiderte Kübeli.
„Die Schäfchen sind halt träge, manche wollen immer am gleichen Ort sitzen!“ stieß Bräker hervor.
„Und sind wenig dankbar“, bemerkte Kübeli bekümmert.
„Außerdem hantieren sie während der Vorträge ständig an ihren Smartphones“, brummte Bräker.
„Ach, die Vorträge! Da hatte ich mal einen Nobelpreisträger der ETH Zürich eingeladen. Und wie viele kamen zum Vortrag? Acht Mitglieder“, klagte Kübeli.
„Lass mich raten: spielte an jenem Abend die Champions League?“, fragte Bräker.
Kübeli nickte: „Ja, aber es ist schon ein Problem mit unseren Leuten…“

Beide redeten en detail weiter, dann verfielen sie ins Schweigen und jeder dachte über seine Situation nach, als der Zug in Olten hielt und der Fremde sich vom Gangplatz erhob und hinaus ging.
Zuhause begrüßte ihn die Gattin: „Wie war das Geschäftsmeeting in Zürich?“
Er winkte ab: „Wie immer – viele gingen hinein und nichts kam heraus.“
Sie wollte ihn trösten, doch er meinte: “Im Zug habe ich zwei getroffen, bei denen auch nicht alles funktioniert.“
„Von welcher Firma?“
„Na ja, so genau konnte ich nicht verstehen, wer sie sind und was sie eigentlich tun. Sind wohl in irgendeiner Vereinigung zur Betreuung einer ganz speziellen Kundschaft. Aber es muss dort ziemlich schlimm sein…

Frequenzstatistik der Agentur WORDPRESS seit September 2014 auf RC Redliwil
174’000 Anrufe, 51’000 Besucher

93. Einer für alle, alle für einen

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

„Wir brauchen mehr Zusammenhalt in unserem Club Redliwil“, befand Präsident Georges Bräker und bat seinen Clubfreund Hansjakob Gafner um ein entsprechendes Motivationsreferat. Der übernahm das sehr gerne und wählte als Motto „Einer für alle, alle für einen“ aus dem Roman „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas.

Gafner zitierte auch den inoffiziellen Wahrspruch der Schweizerischen Eidgenossenschaft „Unus pro omnibus, omnes pro uno“, der als Inschrift hoch oben in einem Kuppelbau des Bundeshauses zu Bern steht. Dieser Leitsatz drückt das schweizerische Ideal einer aktiven Solidarität, des Zusammenhalts im Land und der Eigenverantwortung aus.
Das gleiche Motto “Einer für alle, alle für einen” wurde auch von jungen Welschen gewählt, die diese Werte im Jahr 2021 über eine Volksinitiative wiederbeleben wollen. Dieser Verein ServiceCitoyen.ch schlägt nämlich vor, die Dienstpflicht neu zu gestalten. Jede Bürgerin und jeder Bürger unseres Landes soll inskünftig einen Milizdienst zugunsten der Gesellschaft und der Umwelt leisten. Der Referent erntete andächtiges Nicken und mächtig Beifall. Ein weihevolles Gefühl der Solidarität wehte durch die Heidistuben.

„Mal schauen, wie lange das anhält“, brummte Clubsekretär Hans Tgetgel. Er gehörte zum harten Kern des Clubs, zu den wenigen, die den Laden am Laufen hielten – gefühlt seit den Zeiten von Alexandre Dumas. Neben Bräker, Tgetgel und Gafner waren es die Clubmitglieder Max Sprüngli und Erna Zehnder. Beim Rest der über 60 Mitglieder erschöpfte sich das rotarische Engagement im Leitsatz „Meet, Greet and Eat“. Das hielt diese MGE-Fraktion nicht davon ab, den Service der Musketiere stets sehr kritisch zu begleiten – „Meet, Greet, Eat and Motzen“ lautete deshalb ihr Spruch.

Der Clubsekretär sollte mit seiner Skepsis recht behalten. Einer Einladung des französischen Partnerclubs St. Maladie sur Mer mochte niemand zu folgen, mit Ausnahme der fünf Musketiere. Georges Bräker aktivierte kurzerhand seine Tante Emma und zwei Neffen, damit die Redliwiler Delegation einigermassen präsentabel aussah.

Beim Wohltätigkeitsgrill für das Kinderheim Entlisberg stand Max Sprüngli mehrere Stunden lang alleine hinter dem vernebelten Rost, ehe er wegen einer Rauchvergiftung aufgeben musste. Und Peter Grossenbacher holte sich einen Hexenschuss beim Plakatieren für das rotarische Benefizkonzert der Redliwiler Philharmoniker.

Als Kassier Armin Geldmacher gleich drei Austauschschüler auf einmal in sein Haus aufnahm, weil sonst niemand Platz und Zeit hatte, platzte ihm der Kragen. Gegenüber Präsident Bräker verkündete er: „ich bestelle jetzt einen Malermeister.“

„…einen Malermeister – für was?“

„Für ein neues Clubmotto.“

Das Ergebnis konnten die Freunde beim nächsten Meeting in den Heidistuben bestaunen. An der Decke prangte in blutroten Lettern:
Wenige für alle und immer dieselben.

92. Durchdigitalisiert

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Rotarier Max Schnebeli, Chefarzt i. R. im Klinikum Redliwil, war ein Urgestein des Clubs. Als sein 80. Geburtstag nahte, begannen umfangreiche Planungen, um ihn mit einem Festabend zu ehren. Dem Jubilar graute davor. Zur Gattin Rosalie meinte er: „So viele Leute auf einem Haufen! Fritz Mühsam, sein Nachfolger als Klinikchef und ebenfalls Rotarier, würde die Festrede halten. „Dabei habe ich mich bis heute noch nicht von seiner Laudatio zu meinem Siebzigsten erholt“, seufzte er.

Was tun? Max Schnebeli dachte darüber nach, als er den letzten Wochenbericht seines Clubs Redliwil las. Auf Papier, denn er war der letzte im Club, der sich das Dokument per Post zustellen ließ. Zur Elektronik hielt er eine vornehme Distanz.

Dann kam die Corona-Pandemie und seiner Ehefrau gelang es, ihn für die neuen Online-Meetings im Club zu erwärmen. Von einer Freundin hatte sie vernommen, dass der benachbarte Rotary Club Limmattal dank der Technik seines Mitgliedes Pascal schon 8 Meetings problemlos online durchgeführt hatte. An einem Meeting waren sogar 36 Mitglieder präsent, mit Bild einzeln erkenn- und ansprechbar. Bei Vorträgen waren technische Präsentationen gut erfassbar.

Nun sass Max Schnebeli also erstmals vor dem Bildschirm eines Rechners und fragte seine Frau: „Wenn ein Freund zu lange redet, kann ich den einfach per Tastendruck abstellen?“ Die Gattin nickte.

„Großartig“, sagte er und spürte eine Art Urknall in sich. Er kaufte sich ein Hochleistungs-Notebook und belegte an der ETH Zürich den „Masterkurs Social Media“. Seine Privatbibliothek mit ihren 6.277 Bänden sowie die 27.131 Fotos transferierte er in das Notebook, das Testament und sein Tagebuch kamen zugriffssicher in die Cloud. Er tauchte ein in Facebook, Twitter, Xing, TikTok und Instagram, wo er bald als Platzhirsch die Gruppen dominierte.

Kurz vor dem 80. Geburtstag raunte Kassier Armin Geldmacher: „Max hat sich komplett entmaterialisiert. Es gibt ihn nur noch digital.” Vorsichtig fragte Präsident Bräker seinen Freund Max an, wie man es denn mit seinem großen Tag halten solle.

Dieser erwiderte per Twitter: „Gar nicht“.

Am Jubeltag selbst grüßte er aber alle Freunde per Whatsapp mit einem Selfie, das ihn beim beschaulichen Wandern rund um die Blumenwiesen des Redliwiler Horns zeigte. Außerdem hatte er eine generöse Spende für den Jugenddienst seines Clubs Redliwil überwiesen.

Als die normalen Meetings in den Heidistuben wieder begannen, glänzte Max Schnebeli aber durch Abwesenheit. Präsident Bräker rief ihn an: “Lieber Max, wann sehen wir Dich endlich wieder einmal persönlich wieder?“

Max hüstelte: „Weiß ich noch nicht. Morgen muss ich erst mal für ein paar Wochen ins Silicon Valley. Dort bin ich zu einem Gastvortrag eingeladen.“

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