46. Dschibuti

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Wenn ihn die Last des Amtes zu erdrücken drohte, suchte Präsident Georges Bräker gerne Rat und Hilfe beim Incoming-Präsidenten Roger Winkelried, beim Past-Präsidenten Daniel Bünzli, bei diversen Altpräsidenten und beim Ehrenpräsidenten Ernst Friedrich. Sie alle wussten, wie man die Glocke schwingt, sie waren die Hüter der ehernen Prinzipien, die Träger von Weisheit und Würde.


Während eines Meetings in der Heidiland-Stube erklärte Georges Bräker am Präsidententisch: „Eigentlich sollte es für jeden Rotarier Ehre und Verpflichtung sein, einmal dieses Amt zu übernehmen.“ Zustimmend nickten alle in der Runde. Nur Sekretär Hans Tgetgel meinte etwas gallig: „Sag das mal unseren Niepräs!“
„Wem?“
„Den Nie-Präsidenten.“

Hans Tgetgel ergänzte: „Das ist eine Spezies, die in unserem Club Redliwil leider recht häufig vorkommt. Es sind sehr nette Menschen, aber irgendwie nie zu greifen.“

Ein besonderes Beispiel dafür war Franz Mühlemann. Er spendete eifrig, hatte gute Präsenzen und hielt ansehnliche Vorträge. Aber sobald in seiner Gegenwart das Gespräch auf das Präsidentenamt kam, entmaterialisierte er sich umgehend. Doch findige Freunde wussten ihn zu stellen und ihm die Präsidentschaft anzutragen. 1980 geschah das auf dem Parkplatz des Gasthofs Wohlfahrt. Doch Franz meinte: “Ich muss gerade meine neue Firma in Schwung bringen.“
1990 entwand er sich einem weiteren Freund mit dem Hinweis „An sich sehr gerne, aber wir expandieren gerade in Deutschland.“
Im Jahr 2000 kreisten ihn gleich drei Freunde am Obststand des Migros-Markts ein. Franz Mühlemann zuckte bedauernd mit den Schultern: „Sorry, bin gerade durch meine vierte Eheschließung absorbiert.“

Schließlich vertröstete er die Freunde feierlich: „Ich mache es, wenn ich in Pension bin.“
Ein Raunen ging durch den Club, die Vorfreude wollte gar kein Ende nehmen. Am Horizont kündigte sich die Ära Mühlemann an, die ganz sicher glanzvoll verlaufen würde.
Kaum war Franz Mühlemann pensioniert, entzog er sich der Präsidentschaft durch die Übersiedlung nach Dschibuti, seinem Altersruhesitz.

„Warum ausgerechnet Dschibuti?“ rätselte Präsident Georges Bräker.
Der Sekretär kannte die richtige Antwort: „Damit wir nicht mehr an ihn rankommen. Dschibuti hat kein Auslieferungsabkommen mit der Schweiz.“

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