43. Geschichte 7 aus dem Leben: Morgenessen mit Papa

Verfasser: Heinz Anderegg

Draussen graut der Morgen. Alle anderen schliefen noch, aber Vater und ich genossen unsere gemeinsame Zeit!

Es war noch dunkel, als mich leises Klappern in der Wohnung aus dem Schlafe riss. Meine Mutter und meine Geschwister reagierten nicht; sie wussten, dass die Geräusche von meinem Vater stammten. Noch im Halbschlaf ging ich in den Flur.

Es war wirklich mein Vater, der gerade aufstand. Als Lastwagenchauffeur eines Lebensmittelunternehmens begann sein Arbeitstag bereits um vier Uhr in der Früh, jetzt war gerade mal Viertel nach Drei. Wie es dazu kam, weiss ich nicht mehr genau. Irgendwie hatte ich jedenfalls versprochen, meinem Vater an diesem Samstagmorgen das Frühstück zuzubereiten.

Eigentlich war es kein grosses Opfer, ich war ja schon 14 und, wie ich meinte, erwachsen. Zudem war ja Ferienzeit.
„Ich bin auch gerade erst aufgestanden“ sagte Papa, als ich noch schlaftrunken in die Küche schlich. „Jetzt habe ich aber richtigen Hunger. Also, mach vorwärts, in einer halben Stunde muss ich abfahren!“
Ich fragte mich, wie jemand schon am frühen Morgen so munter sein konnte. Laut sagte ich: „Ich bin auch bald fertig“.
Vor einem harten Arbeitstag wollte Papa am liebsten Eier und Speck – und ein bisschen Gesellschaft. Inzwischen war ich hellwach und machte mich ans Werk. Ich holte die gusseiserne Bratpfanne aus dem Küchenschrank. Noch vor ein paar Jahren hätte ich Feuer in unserem alten Küchenofen machen müssen. Aber jetzt war 1967, moderne Zeiten. Man brauchte nur an ein paar Knöpfen zu drehen, und schon wurden die Platten am elektrischen Herd heiss.

Eines hatte ich gelernt. Der Speck wurde am besten, wenn ich ihn in die Pfanne legte, sobald Papa unter der Dusche hervorkam. Die Eier hatten Zeit, bis er mit dem Rasieren begann. Ich drückte meine Nase gegen das Fenster und blickte in die kalte, nebel-behangene Morgenluft. Bald zischte und brutzelte der Speck in der Pfanne. Er gab sich alle Mühe, der Kanne mit dem dampfenden Kaffee die Schau zu stehlen. Ich aber schenkte meine Aufmerksamkeit dem Toast: Hatte er denn schon die richtige Bräune?

Da! Die Angeln der Badezimmertür quietschten! Das war das Signal, das war Papa. „Also, wollen wir essen, ich bin so hungrig, dass ich ein ganzes Pferd verschlingen könnte“. Er setzte sich an den Tisch und begann genüsslich sein Frühstück einzunehmen. „Es ist wundervoll, dass du da bist und Frühstück für mich gemacht hast. Wirklich!“

„Das macht mir gar nichts aus, ganz ehrlich“, antwortete ich, als ich ihm den Teller mit Speck und Eiern hinstellte.
„Wenn ich einmal aufgestanden bin, ist es gar nicht mehr so schlimm.“ Mit Kompli-menten hatten wir beide so unsere Schwierigkeiten. Ihm war es peinlich, solche zu machen. Ich wusste nie, wie ich darauf reagieren sollte. Trotzdem schien es mir, als gäbe es zu dieser frühen Stunde ein besonderes Band zwischen uns, das es so den restlichen Tag über nicht gab.

Während mein Vater ass, erzählte er mir von seinem bevorstehenden Tag, und wo er überall hinfahren musste.
„Noch Kaffee, Papa? Oder Toast?“ Er schüttelte den Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sein hungriger Ausdruck war jenem der Zufriedenheit gewichen. Nun musste ich jedoch ein Gähnen unterdrücken; ich wurde bereits wieder schläfrig. Papa bemerkte es: „Es ist halt noch früh. Es ist vielleicht besser, wenn du dich wieder hinlegst, wenn du zu müde bist.“
Es war einen Augenblick – nur einen ganz kurzen – still, dann sagte mein Vater: „Danke für das wunderbare Frühstück, mein Sohn. Ich habe es sehr genossen.“
Ich lächelte und versuchte, meinen Stolz zu verbergen. „Gern geschehen, Papa.“

Ich zögerte. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass er mich umarmen wollte, vielleicht sehnte er sich danach? Aber in unserer Familie wurde nicht oft umarmt. Also ging ich zurück ins Bett, wo ich mich ganz tief unter die warme Decke kuschelte.
Doch wir beide wussten, dass ich auch an den nächsten Tagen während der Ferienzeit aufstehen würde. Ich würde in den frühen Morgenstunden auf Geräusche meines Vaters horchen, um das richtige Timing für den Speck abzupassen. Es war schliesslich zu unserer gemeinsamen, wundervollen Zeit geworden.
Danke Papa!!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.