42. Geschichte 6 aus dem Leben: Die alten Affen

Verfasser: Heinz Anderegg

Das folgende ist keine Fabel:
Auf einer grossen Insel im Grossen Ozean lebte eine Sippe Affen. Sie streiften durch den Urwald, suchten Futter – am liebsten nahrhafte Wurzeln -, spielten, kriegten Junge und zeigten ihnen, wie man fressen kann. Die Jungen folgten den Alten, und es herrschte Ruhe und Ordnung, bis dies geschah:


Ein junges Weibchen mit Namen Imo tauchte vor dem Hineinbeissen eine Wurzel in das Wasser, wusch zuerst den Sand mit den Händen ab und frass sie erst dann. Zuerst guckten die Affen erstaunt, dann probierte es einer nach dem andern und merkte, dass die Wurzeln ohne Sand besser schmeckten.
Schliesslich hatten es die meisten gelernt, Wurzeln vor dem Fressen zu waschen. Einer entdeckte sogar, dass die Wurzeln dann besonders gut schmeckten, wenn sie im salzigen Meerwasser gewaschen waren. Auch dies lernte einer vom andern: Wurzeln mit Salzwasser sind besonders gut.

Beinahe alle lernten es, nicht alle: Da waren ein paar alte Affen, die sich selbst für die Gescheitesten hielten und meinten, was sie nicht angeschafft hätten, das dürfe nicht sein. Sie sprachen auch nicht zu diesen jungen Pinschern und taten so, als guckten sie gar nicht hin.
Aber unter sich schimpften sie: Seit alters her ist es Brauch, dass Affen Wurzeln mit Sand fressen. Das ist doch unerhört von diesen Lümmeln, gegen die alten Sitten zu verstossen; wo bleiben da Ruhe und Ordnung?

Vermutlich ist diese Affengeschichte der Schlüssel zum Verständnis vieler unserer gegenwärtiger Konflikte. Die Argumente alter Affen begegnen uns fortwährend. Sie treten in unserem angeblich aufgeklärten Zeitalter nicht verschämt und im Hinter-zimmer auf, sondern triumphierend und aggressiv.

PS: Höfliche Frage: Kommen alte Affen auch in unseren Clubs vor?

 

 

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