37. Geschichte 1 aus dem Leben: Nur keine Umstände bitte!!

Verfasser: Heinz Anderegg /
Kleine Ergänzungen von Alexander Hoffmann und Erich Gerber

Rot. Heinz Anderegg hat seinerzeit im Bulletin seines Clubs Winterthur
“Geschichten aus dem täglichen Leben” publiziert. Er ist damit einverstanden, dass wir eine Serie seiner Geschichten hier beim Club Redliwil in Erinnerung rufen. Im Laufe des Monats Juni 2017 werden 7 Geschichten zu lesen sein. Mögen sie uns zum Spass und zum Nachdenken anregen! Viel Vergnügen!

Dinners at home gehören zur guten Tradition im Rotary Club Redliwil. Thomas Hürlimann ist erst seit kurzem Clubmitglied, erklärt sich aber gerne bereit, zusammen mit seiner Frau Sonja drei Ehepaare aus dem Club bei sich zuhause zu empfangen. „Das muss ein perfekter Abend werden“, sagt er zu seiner Frau. Sie nickt und ist froh, dass sie kürzlich einen speziellen Kochkurs besucht hat. Früher hat man sich im Club einfach gegenseitig besucht, heute ist das etwas anders. Die einladenden rotarischen Familien scheinen sich bei diesem Dinner gerne zu überbieten.

Eine Woche vor diesem grossen Ereignis beginnen die Diskussionen bei Hürlimanns. Sonja frägt:„Sag mal, wie findest Du das? Pappardelle con gorgonzola e spinaci?”
Sie hält ihm ein Bild voller Nudeln vor das Gesicht. Thomas, der seine Frau selbst am frühen Morgen liebt, bevorzugt um diese Zeit seine Zeitungslektüre. „Hhm, ist okay,“ stösst er begeistert hervor. Vergeblich: „Oder Fusili mit Eierschwämmen?“ “Ja, ist auch gut.“ Sein Interesse ist ihm ins Gesicht geschrieben. Doch es nützt ihm nichts…

An den nächsten Tagen werden Menüs diskutiert: Vorspeise? Hauptgericht? Was als Dessert? Salat oder Suppe? Fisch oder Fleisch?

Für einen Ehemann gibt es in dieser Situation viele Möglichkeiten, sich ungeschickt zu benehmen, denn nichts bringt eine Frau mehr in Rage als der Satz: „Mir schmeckt alles, was du kochst, Schatz!“ Das hat Thomas im schmerzhaften Selbstversuch schon herausgefunden.

Thomas inspiziert sein Haus von innen und aussen. Die Fassade würde dringend einen neuen Anstrich brauchen. Doch er tröstet sich mit dem Umstand, dass die Gäste ja erst in der abendlichen Dämmerung erscheinen. Allerdings bittet er den Gärtner, den Vorgarten in Ordnung zu bringen.  Dabei blickt er auf seinen Wagen, der vor dem Haus steht. Dieser ältere Toyota sieht wirklich nicht mehr sehr gut aus, mit dem Kratzer vorne links. Er nimmt sich vor, seinen Wagen dann in einer Seitenstrasse zu parkieren.

Aber über Sieg oder Niederlage am Besuchstag wird nicht allein am Herd entschieden. Natürlich muss das Haus in stundenlanger Fronarbeit zu einem Kunstwerk getrimmt werden.

Als Erstes werden die drei Kinder so lange auf ihre Zimmer verbannt, bis sie sichtbare Erfolge im Kampf gegen die Unordnung vorweisen können. Nach einmütigem Protest verweisen sie auf ihre Verpflichtungen mit den Nachbarkindern.

Schliesslich bewegen sich noch Wäscheberge in Richtung Waschmaschine, und der Getränkeharass füllt sich mit überflüssigen Petflaschen. Der müde Vater darf da nicht abseits stehen. „Kannst Du hier nicht mal kurz saugen?“ frägt Sonja „und bring doch Eimer und Schrubber mit, wenn Du sowieso in den Keller gehst!“

Was das „sowieso“ betrifft: Wo bisher der Charme einer semi-intellektuellen Unordnung herrschte, setzt die Familie jetzt alles daran, ihre Räume in Musterzimmer für einen Möbelprospekt zu verwandeln. Gut, dass wenigstens die Bücher echt sind.
Die nächste Stunde sieht Thomas mit einer lärmenden Turbine über Parkett und Teppich ziehen. Da schleicht sich die Versuchung an ihn heran: Warum soll ich hinter dem Sofa saugen? Diesen Staub sieht doch keiner, flüstert sie ihm ins Ohr. Er hört nicht hin, denn er hat einen guten Ruf zu verlieren. (Es soll ja Hausmänner geben, die in solchen Situationen den Staubsauger extra lang röhren lassen, um sich unter seinem schützenden Schall ein paar ruhige Momente zu gönnen…)

Aber damit nicht genug: Nur Minuten später wischt Thomas mit einem weichen Tuch Fingerabdrücke vom Spiegel: Anhauchen, polieren. Anhauchen, polieren. Dann räumt er Stifte, Zettel und Zeitungen vom Sideboard und hebt Blumentöpfe und Vasen hoch, unerbittlich auf der Suche nach Wasserrändern.

Aus der Küche dringen jetzt sämtliche, irgendwie vorstellbaren Wohlgerüche und Sonjas fragende Stimme: „Kannst du mir mal den Rotwein aufmachen?“
Ist das ein Vorgriff auf das Menü von heute Abend? Der an den Herd eilende Ehemann wird gnadenlos enttäuscht. Seine Frau sagt: „Ich brauche bloss einen Tropfen Wein für die Sauce. Du kannst schon den Tisch decken, damit du vor mir unter die Dusche gehen kannst. Und denke daran: Nimm nicht wieder dieses scheussliche grüne Hemd.“

Thomas blickt auf die Uhr. Der Countdown läuft. Nur noch eine Stunde. Wie ein Profikellner platziert er Teller und Gläser, poliert das Besteck und presst die Kerzen in zu dünne Halter. Er prüft den Wein und erschrickt erneut über die Rechnung für diesen Château Pétrus.

Karl, der älteste Sohn, möchte jetzt plötzlich sein Hemd gebügelt haben, Heini, der mittlere, möchte seinem Vater ausgerechnet jetzt sein Erlerntes auf dem Keyboard vorführen. Damian, der jüngste, verlangt nach Hilfe bei seinen Hausaufgaben. In fliegender Hast bindet sich der Vater eine Kravatte um. Unter seinem feinen weissen Hemd ist er in Schweiss gebadet.

Es klingelt. Da sind sie, die drei rotarischen Ehepaare mit ihren wunderschönen Blumengeschenken. Max Sprüngli meint: Schön habt Ihr es hier – hoffentlich haben wir keine Umstände gemacht!” Thomas Hürlimann lächelt souverän:
“Seid herzlich bei uns willkommen! Nein, es hat uns überhaupt keine Umstände gemacht – wir haben gerne nette Gäste.”

Schluss

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