Glosse 110: Die Gartenparty

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

Als Präsident Bräker zu einer sommerlichen Gartenparty auf dem heimischen Rasen einlud, kam überall im RC Redliwil die Frage auf, wie man sich passend anziehen sollte. Bräker selbst wollte vor allem die Jungrotarier einbinden und wählte in einem Anfall von Jugendwahn ein Outfit, bei dem er sich an seinem Sohn orientierte.

Neben Jeans mit kunstvollen Löchern rund um das Knie und einem T-Shirt mit dem Aufdruck «Born to be wild» besorgte er sich lila Sneakers, deren Bändel er offen aus dem Schuh heraushängen liess. Wie man das möglichst professionell machte, zeigte ihm der Sohn in einem Schnellkurs.

Jungrotarier Baumann hingegen ging einen anderen Weg. Er war hinsichtlich des Dresscodes noch etwas unsicher und beriet sich mit der Freundin. Die war gesellschaftlich sehr ambitioniert und forderte: «Wenn der Präsident zum Sommerfest einlädt, kommt nur ein weisser Smoking infrage.» Baumann lieh sich einen Smoking und war überrascht, wie bequem der sich tragen liess.

An der Bräkerschen Haustür kam es zu einem Clash der Kulturen, Born to be wild traf auf weissen Smoking. Baumann kriegte grosse Augen, seine Freundin bekam einen Schluckauf. Und Bräker klagte gegenüber der Gattin halblaut: «Irgendwie komme ich bei den Jungrotariern nicht so recht an.»

Immerhin entwickelte sich die Gartenparty doch recht erfreulich. Viele Rotarier und Rotarierinnen waren erschienen, in sehr individueller Aufmachung – in kurzen und in langen Hosen, mit oder ohne Jackett, im Wickelrock oder Cocktailkleid. Auch Jean Maissen, der Stilpapst des Clubs, gab sich die Ehre. Er kam im klassischen Tropenchic, lässiger weisser Leinenanzug, ohne Krawatte, aber mit Einstecktuch, die päpstlichen Füsse steckten in handrahmengenähten englischen Schuhen. Er musterte das T-Shirt und die Sneakers des Präsidenten und murmelte zu seiner Gemahlin: «Wenigstens ist keiner barfuss hier. Aber unser Präsident ist eindeutig auf dem Weg in die Verwahrlosung.»

Bräker selbst schritt unsicher über seinen Rasen, machte die Honneurs, hielt eine nette Begrüssungsrede und stolperte immer mal wieder über seine losen Schuhbändel. Als die Gartenparty vorbei war, meinte er erschöpft zur Ehefrau: «Heutzutage weiss man wirklich nicht mehr, was man anziehen soll.»

Die nickte: «Zum nächsten Sommerfest schlagen wir einen klaren Dresscode vor.»

«Und der wäre?»

«Kleidung beliebig, aber erwünscht.»

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