62. Der Club schützt seine Daten

Cartoon von Jals Smolinski

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Der RC Redliwil war stolz auf seine Offenheit, auf seine Präsenz im Internet. Auch sonst gingen die Clubfreunde recht großzügig mit ihren Daten um. Bis sich eines Tages – meistens um 12.30 Uhr – merkwürdige Anrufe zuhause bei einzelnen Mitgliedern häuften. Unbekannte empfahlen nötige Verbesserungen beim Computer, todsichere Anlagen in Kryptowährungen, boten Immobilien in Tadschikistan feil und offerierten Schweinehälften auf Termin. Einer warb hartnäckig für sein Buch „Zur ersten Million in 30 Tagen“.


„Wir haben ein Datenleck, irgendein Adresshändler hat unser Mitgliederverzeichnis verhökert“, klagte Präsident Bräker in einer Notsitzung des Vorstands. Eiligst wurde der Neurotarier Peter Guggenbühl als Datenschutzbeauftragter des Clubs ernannt.
Peter Guggenbühl nahm seine Berufung ernst und räumte gründlich auf. Im Mitgliederverzeichnis wurde fortan keine Adresse mehr angegeben, es hieß bei allen Freunden lediglich „hat einen festen Wohnsitz.“ Rund um die Website des Clubs errichtete er eine dreifache Firewall. Den Wochenbericht gab es dort nicht mehr zu lesen, den verfertigte der Clubsekretär auf einer alten Reiseschreibmaschine Typ Erika. Das Schriftstück kam in den eigens dafür erworbenen Panzerschrank im Gasthof Wohlfahrt. Dort konnte es nach Voranmeldung eingesehen werden.
Sämtliche Clubmitglieder mussten sich verpflichten, nichts mehr bei Facebook zu posten, allenfalls war das Schauen von Katzenvideos noch erlaubt. Der Email-Verkehr wurde eingestellt, die Handynutzung stark eingeschränkt, wichtige Clubinterna wurden per Kurier übermittelt.
Vor allem bei den älteren Freunden kamen die neuen Regeln gut an, viele fühlten sich in die wohligen 1960er Jahre zurück versetzt. Man schrieb einander wieder Briefe und Ansichtskarten aus den Ferien, man besuchte sich persönlich.
Dann klingelte bei Präsident Bräker das Telefon. Ein Anrufer der „Neuen Redliwiler Zeitung“, der auf investigativem Wege Bräkers Privatanschluss herausgefunden hatte. Der Journalist erklärte: „Wir planen eine Titelstory über Eliten in der Schweiz. Dazu wollte ich fragen, ob es einen Rotary Club Redliwil gibt?“
Der Clubpräsident dachte an Peter Guggenbühl und sagte etwas zögernd: „Das kann ich so nicht bestätigen.“

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