55. Das Gerücht

Cartoon von Jals Smolinski

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Rotarier Max Beerli nuschelte ein wenig und sprach häufig zu schnell. So auch bei seinem Vortrag im RC Redliwil, der einen Urlaub hoch zu Pferde in Kanada zum Inhalt hatte. Dabei schilderte er begeistert einen „Ausritt“, der ihm besonders gefallen hatte. Rotarier Kurt Wüthrich hörte schlecht und verstand, Beerli habe seinen „Austritt“ bei Rotary angekündigt.

Das Gerücht machte sich auf den Weg. Es wanderte vom RC Redliwil zuerst durch den ganzen Kanton, durchquerte von dort aus in Windeseile Deutschland und Westeuropa, überflog den Nordatlantik, streifte auch ein paar Freunde im fernen Kanada und landete nach vier Wochen wieder in Redliwil – nunmehr in Gestalt einer unumstößlichen Tatsache.
Im Club war man sehr bekümmert über Beerli, den an sich sehr geschätzten rotarischen Freund. Präsident Bräker fragte ihn kummervoll, weshalb er denn unseren Club Redliwil verlassen wolle. Beerli war perplex und hatte alle Hände voll zu tun, dieses Gerücht aus dem Weg zu räumen.

Dann war er beim RC Umriswil zu Gast und plauderte im Meeting ebenfalls über Kanada und erneut etwas nuschelig. Max Beerli rühmte die „Weite“ des Landes. Doch im Meetingraum herrschte Unruhe und wiederum wurde er falsch interpretiert. Zwei Wochen später kam seine Gattin vom Friseur und berichtete erregt: „Überall in Redliwil erzählt man, wir seien pleite.“

Max Beerli nahm einen Rhetorikkurs und verteilte alle seine Vorträge vorab schriftlich, wobei er gefährliche Worte fett unterstrich.
Im Wochenbericht ließ er „aus gegebenem Anlass“ eine Auskunft über seine Bonität abdrucken. Es half wenig, bei immer mehr geschäftlichen Aktivitäten wurde er um Vorkasse gebeten. Die Hausbank rief an und bat um ein Gespräch, zu dem Beerli bitte aktuellere Zahlen mitbringen solle.

Da kam der Governor zu Besuch in den RC Redliwil. Max Beerli suchte zwecks Rehabilitation das Gespräch mit dem hohen Gast. Ganz beiläufig verdeutlichte er, dass er keineswegs beabsichtige, aus Rotary auszutreten.

Der Governor machte eine lässige Handbewegung: „Lieber rotarischer Freund Beerli, bitte machen Sie sich keine Sorgen, ich gebe nie etwas auf irgendwelche Gerüchte.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Aber das mit Ihrer Pleite tut mir schon sehr leid.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.