Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber
Jeden Herbst gab Hans Schnurrenberger eine große Einladung für Mitglieder seines Clubs Redliwil. Wieder einmal saß er mit seiner Gattin Erika zusammen, um die Gästeliste zu besprechen. Der Bügel seiner Lesebrille hatte sich verzogen, und er meinte: „Laden wir doch auch Kaspar Manz ein, den Optiker. Der kann das dann gleich richten.“
Erika nickte und sagte: „Ich habe so ein komisches Ziehen im Bauch. Nehmen wir auch Max Schnebeli hinzu, unseren Chefarzt ?“ „Natürlich, ich wollte unseren Internisten ebenfalls konsultieren.“
Kassier Armin Geldmacher kam auch auf die Liste, wegen einer heiklen Erb-schaftssache. Margrit Lüthi, Intendantin des Redliwiler Schauspielhauses, wurde ebenfalls eingeladen: „Wir müssen mal wieder ins Theater“, meinte Hans.
Er überblickte die Gästeliste: „Und wir brauchen Rechtsanwalt Josef Jung.“
Die Gattin wandte ein: „Mit Frau Jung komme ich nicht so klar.“ „Macht nichts. Ich möchte Josef wegen meiner ugandischen Staatsanleihen befragen.“
Das Fest wurde ein großer Erfolg, die Gäste amüsierten sich prächtig. Während der Vorspeise wurde die Brille am Tisch repariert. Beim Hauptgang skizzierte Armin Geldmacher auf einer Serviette die Rechtslage in Sachen Erbschaft, Josef Jung versorgte den Gastgeber mit einer detaillierten Auskunft über Uganda. Beim Espresso lieferte Dr. Max Schnebeli der Gattin eine Erstdiagnose, danach untersuchte er im Flur den Gastgeber. Und zum Abschied steckte Frau Margrit Lüthi der Gastgeberin diskret einen Umschlag zu.
Als alle gegangen waren, zogen Hans und Erika Schnurrenberger eine Bilanz. Zufrieden erklärte der Hausherr: „Brille gerichtet, mit dem Ziehen im Bauch war nichts, auch mir geht es gut, das Erbe von Tante Moni müssen wir nicht versteuern, und unsere Uganda-Papiere sind sicher. Für das Schauspielhaus haben wir zwei Premièrekarten, wenn auch nur fünfte Reihe. Alles in allem –
es geht doch nichts über unsere rotarischen Freunde.“
Ein Jahr später stieg die nächste Party. Erneut hatte das Ehepaar Schnurren-berger eine Menge Anliegen, erneut waren die rotarischen Gäste mit diversen Dienstleistungen gefällig. Der Hausherr war wieder zufrieden. Doch drei Tage später kam die erste Rechnung. Es folgten weitere, am Ende hatte Hans Schnurrenberger 7’300.37 Schweizer Franken inklusive Mehrwertsteuer und Anfahrtskosten zu bezahlen. Enttäuscht sagte er zur Gattin: „Die rotarische Freundschaft ist auch nicht mehr, was sie einmal war…”