23. Angelino

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Der neue Austauschstudent, den der RC Redliwil bei sich begrüßte, hieß Angelino. Er sah doppelt so gut aus wie Brad Pitt und hatte dreimal so viel Charme wie Julio Iglesias. Der Sohn eines argentinischen Rinderbarons landete per Hubschrauber in Redliwil, der Privatchauffeur brachte seinen Aston Martin auf dem Landweg. Bei Angelinos Anblick schmolzen die Herzen der Frauen. Seine erste Gastfamilie war die Familie Maerki. Nach einigen Wochen raunte Kassier Geldmacher dem Präsidenten Georges Bräker vorsichtig ins Ohr: „Hast Du das schon gehört: Frau Maerki möchte mit Angelino nach Bora Bora durchbrennen.“
„Oh je, da hat er der armen Tochter den Kopf verdreht.“
„Nein, nein – ich rede von der Gattin, von Frau Maerki.“
Der Präsident organisierte den vorzeitigen Wechsel Angelinos zur Familie Mühsam. Dort zeigte sich die Gattin resistent, dafür zog ihre Tochter mit einem T-Shirt durch Redliwil, auf dem zu lesen war: „Angi, ich will ein Kind von Dir!“

Georges Bräker erinnerte sich seufzend an den früheren Austauschschüler, den dicken Guillaume aus Lyon. Der war pickelig und völlig harmlos gewesen.
Angelino wirbelte derweilen das Clubleben durcheinander, glänzte mit Tango-Privat-kursen für die Schönheiten von Redliwil und machte mächtig Eindruck, als er eine vollständige Polo-Mannschaft inklusive Pferde einfliegen ließ.

Fritz Mühsam aber reichte Angelino lieber an den Präsidenten zurück.
Dieser quartierte Angelino bei Ehrenpräsident Ernst Friedrich ein, einem Wittwer. Das ging eine Woche gut, bis Ernst den Präsidenten anrief: „Lieber Georges, bitte erlöse mich. Jeden Morgen treffe ich in meinem Bad ein neues junges Geschöpf, das ich noch nie gesehen habe.“
Schweren Herzens wollte der Clubpräsident jetzt Angelino beibringen, dass seine Rückkehr nach Argentinien ganz passend wäre, und zwar jetzt und sofort.
Angelino erwiderte lächelnd: „Ich fürchte, das geht nicht.“
„Wieso?“
„Am Montag erwartet mich die Clubfreundin Sonja Naef zu einem Praktikum in ihrer Firma – sie hat dringend darauf bestanden. Und nachher soll ich unbedingt bei der Bürgermeisterin Susanne Mengozzi im Vorzimmer weiter lernen.“

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