99. Warten auf Kluuny

Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Ein Gerücht waberte durch das Netz: Zur neuen Spielzeit, so wusste Rotarierin Anna Obermüller bei Facebook zu posten, komme ein neuer Intendant ans Stadttheater von Redliwil. Sie geriet ins Schwärmen und schrieb über diesen George Kluuny: „Wo immer er bisher gearbeitet hat, bekamen die Theater neuen Zulauf. Ihm eilt ein Ruf voraus wie ein Donnerhall.“

Dieses Donnern erreichte auch Präsident Bräker. Im Vorstand meinte er: “Kluuny wäre wahrlich eine besondere Grösse für unseren Club. Mal was anderes als immer diese Ärzte oder Wirtschaftsprüfer. Kennt ihn jemand näher?“

Der Clubdichter Heinz Hausammann ging nie ins Theater, wollte aber etwas für seine Image tun. Er meinte: „Man hört nur Gutes über Kluuny.“ Marco Klotz, der welterfahrene Investmentbanker, ging ebenfalls nie ins Theater, wollte aber nicht zurückstehen. Er mäkelte: „Kluuny, hm, hm. Ein Blender, wie ich aus kompetenter Quelle weiß. An einem Staatstheater im Ausland soll er nur verbrannte Erde hinterlassen haben.“ Ihm zur Seite sprang Franz Mühlemann, Chef des Feuilletons beim Redliwiler Anzeiger. Er hatte ebenfalls noch nie von Kluuny gehört, wollte das aber nicht zugeben. Er rümpfte die Nase: „Kluuny sorgt zwar für eine volle Hütte, aber er hat nur die Massen im Blick; eigentlich gehört er ins Privatfernsehen.“

Dem Donnerhall tat das keinen Abbruch. Bald gewann Kluuny an weiteren Umrissen in der rotarischen Gerüchteküche. Er habe schon eine Villa an der Redliwiler Goldküste gemietet, hieß es. Ein Rotarier wollte ihn beim Shoppen in der City gesehen haben, wo er mit einem weißen Bentley nebst Chauffeur vorgefahren sei. Und Heidi Blümlisalp wollte von einem Kenner erfahren haben, Kluuny habe ein Angebot des Schauspielhauses Zürich zugunsten von Redliwil ausgeschlagen.

Als Georges Bräker davon hörte, verfiel er in Hochstimmung. „Diesen Hochkaräter dürfen wir uns nicht entgehen lassen“, sagte er zu Kassier Armin Geldmacher. Dieser rieb sich die Hände: „Dann kriegen wir auch Freikarten für die Premieren.“

Am nächsten Tag rief der Clubpräsident Anna Obermüller an: „Wann kommt Kluuny endlich nach Redliwil? Ich würde ihn gerne zu einem Vortrag einladen.“

Anna gluckste am anderen Ende der Leitung. „Kluuny wird nicht kommen – es gibt ihn nämlich gar nicht. Ich wollte im Club nur mal testen, ob die alten Reflexe noch funktionieren.“

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