65. Der Samichlaus


Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber

Als das Meeting des RC Redliwil auf den 6. Dezember fiel, ließ Präsident Bräker einen rotarischen Samichlaus auftreten. Den spielte der altersmilde Freund Hans Zwyssig. In der Vorbesprechung meinte Georges Bräker: „Bring bitte ein paar Geschenke mit, aber spare auch nicht mit Tadel.“

Hans schmunzelte: „Tadel? Sind unsere Freunde nicht alle leuchtende Gestalten?“
Der Präsident gab zurück: „Sicher doch, aber es gibt nichts, was nicht noch besser werden könnte.“
Und so kam es am 6. Dezember, dass in der Heidiland-Stube Hans Zwyssig rotbemützt erschien, mit Kapuze, weisser Perücke und Bart, dazu mit einem Leinensack auf dem Rücken. Er rief in den Raum: “Wart Ihr auch alle brav?“
Etwas zögerlich kam zurück: „Jaa, doch…. meistens.“
Der Chlaus zückte sein Notizbuch und fragte: „Wirklich?“

Nach und nach nahm er jeden einzelnen Rotarier ins Gebet.
Marco Klotz, ansässig in einem 400-Quadratmeter-Haus, hatte jüngst die Aufnahme eines Austauschschülers mit Hinweis auf seine engen Wohnverhältnisse abgelehnt. Der Nikolaus fixierte ihn streng: „Platz ist auch in der kleinsten Hütte.“ Klotz erklärte feierlich: „Ich räume ab sofort meine zweite Etage und rufe die Jugend der Welt.“

Rotarier Heinrich Schönbächler kam notorisch zu spät zum Meeting. Ihm hielt der Claus vor: „Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.“ Schönbächler gelobte: „Ab sofort miete ich einen Tag vor jedem Meeting ein Zimmer im Gasthof Wohlfahrt, dann ist mein Weg nicht mehr so weit zu Euch in die Heidiland-Stube.“

Dr. Rüegg, der Clubintellektuelle, hatte durchblicken lassen, dass er den persönlichen Verkauf von Rotary-Bratwürsten auf dem Weihnachtsmarkt für etwas schäbig hielt. Ihm predigte der Samichlaus: „Auch niedere Dienste haben ihre Würde.“ Dr. Rüegg verkündete bußfertig, er wolle näher an die Menschen und daher bald ein Praktikum als Fahrer beim Paketservice Schweiz absolvieren.

Schließlich widmete sich der Samichlaus auch der Rotarierin Louise Meier, die tatkräftig, wie sie war, zahlreiche rotarische Projekte am Laufen hielt. Er bat sie, dabei „auch Männern eine Chance zu geben. Männer sind vielleicht etwas einfach gestrikt, aber durchaus willig und unter weiblicher Anleitung zu großen Taten fähig.“
Mit etwas schmalen Lippen sagte Louise Meier „OK, ich brauche noch ein paar Plakatkleber.“

Für jeden gab es zum Abschluss ein Geschenk aus dem Leinensack. Die Freunde mit dem größeren Sündenregister erhielten eine Mini-Toblerone, die anderen ein Päcklein mit Ricola-Bonbons.
Mit einem erfrischenden Gefühl der allgemeinen Läuterung endete das Meeting. Es war richtig schön, auf dem Weg zu besseren Menschen zu sein.

Präsident Bräker war hochzufrieden. Einige Tage später bemerkte er zu Hans Zwyssig: „Von mir aus kannst Du jede Woche als Samichlaus auftreten.“

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